„Herr Jesensky! Ich fühle mich wie eine zerdrückte Blechdose, nur klingen tue ich hohl, als ob in meinem Gemüt ein Leck wär. Die Schwankungen betragen heute 20 Grad. Ich bewege mich auf dem Thermometer zwischen vier und 24, obwohl ich ordentlich atme, sodass sich meine Brillengläser beschlagen.“
„Sie tragen heute doch Kontaktlinsen“, wendet Herr Jesensky ein.
„Richtig, das war ja auch nur eine Metapher. Ich unternehme jede erdenkliche Anstrengung, damit mein Herz ein bisschen warm wird, aber alles nur heisse Luft. Keine Resultate. Nichts.”
„Dann lassen Sie es doch”, sagt Herr Jesensky. „Wer sagt denn, dass Sie sich jeden Tag gut fühlen müssen.”
„Das stimmt, ich habe mich in keinster Weise zum Glücklichsein verpflichtet.”
„Erzählen Sie mir von Ihren Träumen”, sagt Herr Jesensky.
„Ich träumte, wie mir ein bekannter Schriftsteller mit einem Bilderbuch das Absinken des Meeresspiegels erklärte. Dabei habe ich überhaupt nichts mit dem Meeresspiegel am Hut, der kann sinken oder steigen wie er will. Den Schriftsteller kenne ich auch nicht persönlich, ich kannte ihn nicht mal im Traum. Meine Gedanken müssen im Moment ziemlich verquarkt sein.“
Dann beginne ich zu weinen, und Herr Jesensky überreicht mir einen Schuh.
„Hier bitte, weinen Sie in den Schuh hinein, das hilft.“ Es ist ein rahmengenähter Herrenschuh. Nachdem ich fünf Tränen hinein geweint habe, schnüre ich den Schuh und überreiche ihn Herrn Jesensky.
„Kennen Sie den Auslöser für ihre Weinerlichkeit?“, fragt Herr Jesensky.
„Natürlich der Meeresspiegel“, schluchzte ich. „Und der Schriftsteller hatte dickes Haar und schwere Knochen.“
„Was meinen Sie mit schweren Knochen?“
„Es zog ihn in den Ton oder eher noch in die Schicht darunter.“
Ich schaue ratlos auf meinen Resonanzboden. In der Praxis riecht es nach Pilzen.
„Es riecht nach Pilzen”, sage ich.
Herr Jesensky öffnet seine Schreibtischschublade und überreicht mir einen Steinpilz.
„Hier, bitte.”
„Danke schön!”
„Nicht der Rede wert!”
„Na dann, bis nächste Woche.”
„Schmieren Sie Ihren Resonanzboden mit Arganöl ein!”
Ich bedanke mich.
„Nicht der Rede wert.”
„Doch”, sage ich, „gute Ratschläge sind teuer.”
„Siebzig Franken das Fläschchen, aber es lohnt sich. Ist auch gut für die Haare!”