Kniend räume ich das unterste Waschmittelregal aus. Ich muss mich ganz weit nach vorne beugen. Das gleicht fast schon einer Yogaübung oder etwas anderem, wobei mir diese unmögliche Verrenkung die Gelegenheit gibt, jedes Waschmittel einzeln zu beschnuppern.
Meine Nase reicht knapp über den Kartonrand der Ariel-Box. Ich setze mich auf einen Pflanzenschemel und beobachte die flinken Bewegungen meiner Grossmutter, die hinter einer Dampfwolke verschwindet. Das alte Bügeleisen mit dem Grossmutter hantiert, ist sehr schwer, wie ich Jahre später feststellen werde, wenn sie sich auf die Reise gemacht hat, und ich für immer Abschied nehme von ihrer Boutique, die auf die Strasse hin offen ist. Immer wieder streckt jemand seinen Kopf in Grossmutters Reich, wo sie als gelernte Schneiderin immer noch Näharbeiten verrichtet. Dem Gast werden in der Küche gleich Kaffee und Bretzeli gereicht, und ich bekomme dann meist einen sogenannten Cappuccino, der zur Hälfte aus Kaffee und zur Hälfte aus Kakao besteht. Verstohlen betrachte ich unsere Gäste, in der Hoffnung, dass sie mir bloss keine Fragen stellen, schliesslich muss ich mir das alles zuerst anschauen, all diese Dinge.
Auf den Unilever-Produkten Persil und Coral gibt es zwanzig Prozent Rabatt. Vermutlich will Unilever vom Palmölskandal ablenken. Ich bin erleichtert, dass Ariel aus einem anderen Hause kommt, und eine stolze Kerzenzieher und Seifensieder Vergangenheit vorzuweisen hat. Der Hersteller heisst Procter und Gamble. Die erste Seifenoper, die Springfield Story, die über siebzig Jahre lang erfolgreich über den Bildschirm flimmerte, geht auf die Werbeprofis des Konzerns zurück. Da begegnen wir der Bubble in ihrer ursprünglichsten Form. Auch meine Mutter hat zum Bügeln Verbotene Liebe geschaut – zumindest von dem Moment an, als ihre pubertierenden Töchter Montag bis Freitag um Punkt 18.00 Uhr den Fernseher in Beschlag nahmen.
Aber wie wählen heute die Frauen ihre Marke? Kaufen sie das Waschmittel, das schon ihre Mütter benutzt haben? Die Männer, nehme ich an, die fragen ihre Mütter, und die werden eventuell eine Neuentdeckung gemacht haben, von der wiederum die Töchter nichts wissen wollen. Töchter sind stur. Wie verhält es sich aber mit der Waschmittelsucht? Es muss doch sicherlich Frauen geben, die jede einzelne Marke durchprobieren müssen. Die sich von den bunten Plastikflaschen mit Titeln wie Aprilfrische und Sommerbrise magisch angezogen fühlen, die einfach nicht wiederstehen können, bis ihre Männer auf die Barrikaden gehen und zärtlich aber bestimmt sagen: „Schatz, der neue Weichspüler riecht zwar gut, aber Männer sollten im Job nicht unbedingt weich riechen.“
Während ich das unterste Waschmittelregal von Staub befreie, reise ich nach Porto. Verkäuferinnen im Süden haben einfach eine gewisse Eleganz, die uns hier im Oberengadin abgeht. Liegt es an der akuraten, bequemen, aber wenig weiblichen Bluse? Natürlich! Im Süden tragen die Verkäuferinnen Schürzen, sodass sich jeder Mann, der den Laden betritt, sofort an seine Frau erinnert, sollte er an etwas anderes gedacht haben, was die Kauflust ankurbelt, schliesslich soll auch der moderne Mann Beute nach Hause bringen, nicht bloss Zigaretten und Bier. Frauen kaufen hingegen genetisch bedingt gerne ein, besonders wenn ihre Freundin hinter der Ladentheke steht. Wir strahlen alle etwas Familiäres aus, wobei ich mir ziemlich sicher bin, dass auch Schweizer Männer Schürzen sehr zu schätzen wüssten, nicht umsonst feiert das Dirndl eine Renaissance. Aber damit wären wir schon wieder in Bayern, und das wär wiederum eine andere Geschichte, schliesslich bin ich beim Javel-Wasser angelangt.
Ich, Esmeralda Monteiro, würde einmal in der Woche das Treppenhaus unseres Mehrfamilienhauses mit Javel-Wasser schrubben, sehr zur Freude der alten Dame und des Professors für vorderasiatische Archäologie. Ich würde der Dame und dem Professor ab und zu Suppe vorbeibringen oder Kuchen, um sicher zu stellen, dass sie meine Vogelnatur nicht stört oder sie sie überhaupt noch nicht zur Kenntnis genommen haben. Wenn die Vögel Federn verlieren, macht das Menschen traurig. Eine gute Esmeralda ist also wachsam, und wird, falls wirklich mal eine Feder zu Boden segelt, sie aufheben, pflegen, aufbewahren und wieder ankleben. Ich suche im Regal nach dem Leim fürs Federkleid. Kein Leim. Auf den Leim gegangen.
Anzubieten hätte ich desweiteren Abwaschmaschinentabs. Sie mögen jetzt einwenden, stopp, jetzt wird es aber etwas spröde. Nein, nein, protestiere ich. Sie müssen die Tabs bloss in eine Plastikbox abfüllen, sodass Sie mit Ihrer Hand genügend Platz haben, um in der Box zu wühlen. Wie fühlen sich die Tabs an? Solide oder? Sie streicheln in einer Sekunde hundert glänzende Gläser. Und wieviele Gäste werden Sie glücklich gemacht haben, wenn die Box leer ist? Lassen Sie Ihren Enkel mit der Box spielen, sofern er nicht mehr alles mit dem Mund erkundet. Nun, er wird sich später an genau diese Abwaschmaschinentabs erinnern. Sie werden dann natürlich bereits etwas antiquiert sein, die Tabs, womöglich wird es sie nicht mehr auf dem Markt geben, daher sind sie alle einzeln verpackt. Das heimliche Überlebensprogramm der Abwaschmaschinentabs. Sie überleben in Schubladen und unter Küchenbänken.
Sie entschuldigen mich, ich werde an die Kasse gerufen. Aber bitte, folgen Sie mir. Ich werde Ihnen gleich etwas über unsere Mega-Karte erzählen. Sie werden mein 972ster Kunde sein, und meinen bisherigen Umsatz von 18000 Franken nach oben wandern lassen.
Herzlichen Dank und einen schönen Tag!