Die weisse Gefahr

Mein Schreiben begleitet die Angst, zu wenig zu schreiben. Dabei lassen sich Wahrnehmungs- und Gedankenprozesse nicht auspressen wie eine Zitrone.

An manchen Tagen ist mein Kopf leer. Da starre ich in meine Gehirnstube hinein und erblicke einzig eine Gefängniszelle. In solchen Momenten entfällt mir auch der Grund für meine Haft. Vielleicht ist sie die Strafe für die nicht produktiv genutzten Stunden. Dabei fallen Strafe und Grund der Strafe zusammen.

 

Das Werk „SISYPHOS“ der Künstlergruppe ap7 im Kunsthaus Klosters beschreibt diesen paradoxen Zustand. Ein schwarzer Teppich hängt an der Wand, einen Teil des Bodens bedeckend. Er besteht aus ineinander verwobenen Schlaufen aus Kunstfilz, den Eindruck einer bedrohlichen Masse erweckend, die sich unkontrolliert im Raum ausbreitet. Das Kunstwerk könnte auf die Steilhänge der Walser anspielen, die immer wieder von neuem gemäht werden müssen, bis heute.

 

Der Ausstellungstext liefert eine weitere Erklärung: Der Behang steht für die Steinschlag- und Lawinenschutznetze, die angebracht und beständig gewartet werden müssen, um das Dorf vor Naturgewalten zu schützen.

Trotz der Gefahr, welche das Netz signalisiert, ermutigt es dazu, niemals aufzugeben, weiterzuarbeiten, sich zu bewegen, auch wenn der Bewegungsspielraum gerade eng scheint, der Grat schmal, und das Risiko mitschwingt, einzubrechen, überrollt zu werden, erschlagen von zu viel Welt, die sich dagegen sträubt, in Kunst verwandelt zu werden…

 

Das Aufschieben aber ist eine masochistische Lust. Sie vergrössert den Graben zwischen mir als Autorin und dem Text. Ich meine, der Angst vor dem Scheitern ein Schnippchen schlagen zu können, indem ich mich der Vergnügung hingebe. Den Spass werde ich allerdings nicht geniessen können, solange meine Arbeit nicht getan ist. Und dennoch probiere ich es immer wieder – der Angst zu entkommen, vor der Arbeit davonzurennen, die in mir diese Angst zu versagen, auslöst. Der Spiessroutenlauf hört jedoch niemals auf, da die Arbeit kein Ende nimmt – und die Vergnügung ewig lockt…

Es gibt aber auch geschützte Orte, Momente des Glücks, wenn die innere Wildheuerin das Tagwerk vollbracht hat, die Sonne hinter dem Grat verschwindet und auf dem Feuer in schwindelerregender Höhe die Polenta brutzelt.