Vor der Wohnungstüre flattern die Tauben umher. Ich höre sie auf dem Blechdach schräg gegenüber landen. Dann wiederum vernehme ich Geräusche, die nicht eindeutig den Vögeln zuzuordnen sind. Der Concierge wischt den Innenhof. Ich habe vergessen zu betonen, dass der Titel „Welcome to Bucharest“ natürlich mit einem östlichen Akzent gelesen werden muss.
Mein Blick fällt auf den Kochlöffelbehälter aus Blech, der mit dekorativen Löchern versehen ist. Das Modell stammt von Ikea, und die Beobachtung, dass in jeder WG und in jeder Ferienwohnung in Europa dieses Modell steht, macht mich fix und fertig.
Monsieur Clair hat den Internetzugang gesperrt. Und in der Tat kommt es mir doch höchst seltsam vor, zu reisen, um am neuen Ort die gewohnte Oberfläche abzurufen, um sich in den gängigen sozialen Netzwerken zu bewegen. Es wird wieder eine Generation junger Männer geben, die vor lauter Überdruss und Langweile euphorisch in den Krieg ziehen. Männer, die das Authentische suchen.
Meine Gedanken bröckeln wie der Sandstein der Palazzi, Engel, die zu Staub zerfallen. Leider liegt meinen Gedanken keine Jugendstilarchitektur zu Grunde. Um die Sache mit dem Internet zu klären, habe ich Monsieur Clair angerufen. Dabei fiel mir auf, dass ich vergessen habe, wie man eine Konversation führt. „Do I exist?“ Habe ich ihn gefragt. Daraufhin sprach er meinen Namen auf eine Weise aus, die mich zusammenzucken liess, als ob er mich tatsächlich kennen würde. Also scheint es mich wenigstens in Monsieur Clairs Bewusstsein zu geben. Er nannte mir eine Strasse, Strada George Enescu, Nummer 15, dort sollte ich hingehen. Also machte ich mich auf den Weg. Im Kopf begleitete mich das Bild der übernatürlich grossen, nackten Frau, von der ich geträumt hatte. Leider hatte sie kein Gesicht oder vielleicht glücklicherweise, vielleicht wartete sie darauf, mein Gesicht zu bekommen. Ich würde mir nur noch ein passendes Kleid aussuchen. (Das Land hat wunderschöne Trachten – raffinierte Spitze und bunte Stickereien.) An der Strada George Enescu 15 befand sich eine winzige Eisdiele. Der Besitzer strahlte mich an. (So wie er strahlte, konnte es sich bei dem Mann nur um den Besitzer handeln. Meistens sieht man den Menschen an, ob ihnen etwas gehört oder nicht.) Mit Kennerblick vermass er meine Gemütsverfassung, dabei legte er seinen Zeigefinger auf die Unterlippe und sagte: „Mokka. A bitter sweet symphony.“