Meines Glückes Schmied oder Der Regentropf, der seinen Lauf unterbricht, um die Sonne zu suchen

Warum heisst es nicht des Glückes Bäcker?
Ich backe mir mein eigenes Glück, das wäre doch auch ein schönes Bild, ein essbares Glück, ein Glück, das satt macht. Macht Glück satt?
Ist es nicht eher so, dass Glück süchtig macht? Und kommt es nicht auch oft vor, dass wir erst im Nachhinein glücklich sind, dass wir also glücklich sind, ohne es zu merken?
Schokolade macht mich glücklich, sicher, aber es ist nicht die Schokolade selbst, die Glück heisst. Wie würde dann die verdaute Schokolade heissen?
Gehen wir einen Schritt zurück: Was stellt der Schmied her? Früher stellte der Schmied Werkzeuge und Waffen her. Werkzeuge und Waffen haben keinen Selbstzweck wie das Brot, sie stillen keinen Hunger. Wir sagen vielleicht: Das ist der Hammer! Diesen Hammer können wir aber leider nicht kochen. Wir brauchen das Werkzeug oder im schlechtesten Fall die Waffe (die Waffe bedeutet nicht immer Gewalt, man denke an die Waffen einer Frau), um ein Ziel zu erreichen. Die Mächtigen dieser Welt führen Kriege, um sich selber zu bereichern. Krieg als Mittel, als Werkzeug, mit Waffen, die töten.
Ich, die ich euch überzeugen möchte, von einer Idee, einer Leidenschaft, vielleicht einer „façcon de vivre“, benutze die Sprache als Werkzeug. Wäre ich eine Sportlerin, müsste ich meinem Stabhochsprung beispielsweise nichts hinzufügen. Wie ein Zaubertrick würde ich euch mein Können vorführen. Jedenfalls verstehe ich den Sinn dahinter nicht, wenn Sportler keuchend ihre eigene Leistung kommentieren. Der Körper, der eine aussergewöhnliche Leistung erbringt, ist selbst die Botschaft.
Und ja, wenn ich satt bin und in dieser Zeit Texte schreibe, die keinen Sinn haben, aber schön sind, dann ist die Sprache ein Selbstzweck, im besten Fall Literatur genannt, wenn die Anstrengungen von jemandem, nämlich dem Leser, gewürdigt werden.
Die Unterscheidung in Mittel und Selbstzweck ist in unserem Fall für die Definition von Glück entscheidend.
Wenn ich mir das Glück selbst schmieden muss, heisst das nicht nur, dass ich für mein Glück selbst verantwortlich bin, nein, es heisst zu allererst, dass ich mir die Werkzeuge schmieden muss, mit dessen Hilfe ich das Glück erreichen kann.
Wenn ihr studieren wollt, ist die Matura ein Werkzeug. Damit habt ihr bewiesen, dass ihr Lernmethoden beherrscht und komplexe Zusammenhänge versteht.
Gefährlich wird das Konzept der Selbstverwirklichung, das Kredo „Jeder ist seines Glückes Schmied“, wenn nicht mehr eigene Ziele formuliert werden können, der gesellschaftliche Rahmen die Rollen bestimmt, und die Gesellschaft gar keine eigenen Definitionen von Glück mehr hat. Wenn Glück nur noch konsumierbar ist, durch die Anschaffung immer neuerer Werkzeuge, I-Phones zum Beispiel, die unseren Alltag scheinbar erleichtern sollen, aber einzig dazu dienen, die Reichen reicher und die Armen ärmer zu machen…