Angst ist eine rumänische Lebensmittelkette

Ich gehe die Angst suchen, damit sie mich nicht wieder wie ein streunender Strassenköter anspringt. Die Angst hat mir bereits ein Loch in den Bauch gefressen. Dort hat jetzt der Verrat Platz.

An der Strada Mircea Vulcanescu muss sie schlafen. Ich klingle bei der Nummer sieben. Mircea öffnet mir die Türe, schaut mich forschend an. Als ob er mich bereits erwartet hätte, deutet er mir einzutreten. „Still dressed in white“, sage ich. Er führt mich in ein Wohnzimmer, das mit Louis Quinze Sesseln ausstaffiert ist.

Mircea verschwindet in der Küche, um ein paar Minuten später mit einer Flasche Rotwein zurückzukommen. Er präsentiert mir die Etikette, mein Jahrgang, sein rechter Mundwinkel zuckt, „meeting each other after seven years is like middle class people do“, but, sagt er, „they drink a cup of tea, or just water.“ „Please open it for us Darling.“ Er geht zum Plattenspieler und legt Tschaikowsky auf. Schwanensee. Ich getraue mich kaum zu atmen. Er riecht immer noch nach Zitrone, wovon mir schwindelig wird. „Why did you come?“, fragt er, während er mich wie ein seltsames Insekt in Augenschein nimmt. Ich glaube, ich erröte. Wir erheben die Gläser, ihr Klang lässt mich erschaudern. Mircea fixiert mich weiter, schüttelt den Kopf und sagt: „You want tob e strong, but deep inside you still want to be dominated.“ Dem männlichen Machtwunsch ist nicht beizukommen. Wer aus Liebe Dominanz macht, führt nur die Angst an der Leine. Bevor ich antworten kann, zieht Mircea einen Vorhang. Auf einer kleinen Bühne stehen zehn Frauen nebeneinander aufgereiht, wie im Krimi mit Nummernschildern versehen. Die erste ist Alaska, meine Romanfigur. Alaska mit Pagenschnitt, in kurzem Kleid über Leggins. Sie sieht aus wie siebzehn. Alaska ist gut als Frau, Alaska ist Nouvelle Vague, wäre ich Mircea, würde mich nichts so sehr ängstigen, als dass sie eine Falte bekommt, dass dieses Mädchen Gedanken hat, die ich nicht kontrollieren kann, dass sie andere Männer anschauen. Ich als Mircea würde Alaska in eine Burka stecken. Wie im Daumenkino wird Alaskas Erscheinung meiner immer ähnlicher. „The original is still the best“, sagt er, „the reality, life.“ Dem Leser ist wohl klar, dass Mircea lügt. Alaska als Fiktion ist natürlich unübertrefflich. Die Fi©ktion sei aber dem Mann vorbehalten.