Himbeeren, Bündnerfleisch und Biotampons

Die Himbeeren gibt es nun zum halben Preis, da die politisch korrekten Menschen im Februar keine Himbeeren kaufen wollen. Auch Erdbeeren will niemand haben. Und Spargelspitzen. Diese Produkte liegen in einem separaten Regal, angeschrieben mit „50 Prozent“ – als Gammelware.

Im Bioladen erhalten die Frauen Biotampons, drei Mal so teuer wie die normalen im Detailhandel.

Das Bündnerfleisch schmeckt nach Blut, während mir meine Worte ziemlich vegan daherkommen. Meine Eisenwerte sind wieder im Keller. Auf den Steinplatten im Flur glänzt eine Fettschicht. Der Boden wurde zwei Tage zuvor versiegelt, das hatte so dermassen nach Terpentin gestunken, dass ich die ganze Nacht mit offenem Fenster schlafen musste. Und jetzt diese Fettschicht. Ich gehe auf Zehenspitzen auf ihr, und inzwischen sind meine Füsse schon ganz kalt, unter mir ist der Keller, und unter dem Keller das Wasser. Ich habe sie gestern deutlich gefühlt, die Wasseradern. Die Gelenke beginnen zu schmerzen, als ob sie mit elektrischen Impulsen gereizt würden.

Ausserdem ist der Abfluss verstopft, und im angrenzenden Gebäude macht sich jemand an einem Presslufthammer zu schaffen.

Diese ewigen Baustellen in dieser Stadt, in einem sonst sehr ordentlichen Land. Entweder nehmen sich die Handwerker hier keine Zeit, weil sie bereits den Hockeymatch im Kopf haben oder Schuld sind die Immobilienbesitzer, die stets nur ausbessern, immer nur das Nötigste machen lassen, sodass über die Jahre ein grosses Flickwerk entstand, Wohnkörper mit Narben, die jederzeit wieder aufreissen können, wenn dem Mieter nicht vorher die Decke auf den Kopf fällt. Gasöfen aus den 30er Jahren und Durchlauferhitzer sind keine Seltenheit. Mein Modell stammt vermutlich aus dem Jahr 1939, jedenfalls hatte in diesem Jahr der Vater meines verstorbenen Vormieters den Mietvertrag unterschrieben.

Es muss also an der Stadt liegen, dass das Bündnerfleisch nach Blut riecht. Oder daran, dass ich seit einem Monat kein Fleisch mehr gegessen habe, ausser einmal einen Döner. Als ich mit diesem Döner durch die Bahnhofshalle ging, sprach mich ein junger blasser, magerer Bursche an, ein Deutscher. Ob ich für die Menschenrechte wäre. Ich sagte: Ja, natürlich. Er sagte: Nun, es gibt ja auch Menschen, denen sind die Menschenrechte nicht so wichtig. In diesem Moment hätte ich ihn sehr gerne gehauen. Ich starrte ihn einfach nur an, und hörte nicht auf, meinen Döner zu essen, so hungrig war ich.

Dann ging vor mir wieder der Behinderte, der schrie: Spinnsieche, alles Spinnsieche. Es wird immer schlimmer in dieser Stadt!

Inzwischen hat der Handwerker die Fettschicht von den Steinplatten abgerieben, und er bestätigt mir: Seit es die Handys gibt, hat der Stress zugenommen. Er entschuldigt sich nochmals, dass er mich nicht schon vor dem Mittag angerufen hätte, wie ihm aufgetragen worden war, aber er hätte halt auch noch etwas essen müssen.