Wereliwer oder was eli was Herr Scherenschnitt

Ich leide an einem strukturellen Tief. Gestern war es so schlimm, dass ich für ein paar Minuten ernsthaft in Erwägung zog, unter die Zeitungs-Trolle zu gehen:

(http://www.nzz.ch/meinung/kommentare/putin-testet-den-westen-1.18561216)

„Sehr geehrter Herr Rüesch, sie scheinen ja direkt von der Atlantikbrücke in die Redaktionsstube an ihr Dienstpult gesprungen zu sein. Mit der flotten Bildlegende „Vladimir Putin geht es primär um den Machterhalt“, haben sie sich aber eine äusserst differenzierte Arbeitshypothese gesetzt! Warum stellt sich die Frage: „Mourir pour Donetsk?“, nicht? Eine Bombe, und Europa ist planiert, da braucht es auch keine Soldaten mehr!“

Aber, aber, was bin ich wieder zerzauselt in meinem krummen Denkgehäuse! Das kommt davon, wenn man den Blick von der Leichenproduktion abwendet. Wie soll da eine Äusserung noch Fleisch am Knochen haben! Russland soll doch bloss durch die Sanktionen, (an denen sich auch die Schweiz beteiligen soll!) in die Knie gezwungen werden. Das ist natürlich was anderes.

Da sich die Zeitung aber vorbehält, Beiträge zu zensieren, welche die „Integrität“ des Journalisten nicht respektieren, liess ich von meiner Beschwerde ab. Eine Äusserung einer argumentativ geschickten und hochanständigen Leserin war bereits dem Zensor zum Opfer gefallen. Vertane Liebesmüh! Es kann ja wirklich nicht angehen, dass sich ein Journalist aufgrund eines Leserkommentars Gedanken zu seiner Integrität machen muss! Integrität meint Treue zu sich selbst. Ihm gegenüber steht die Korrumpierbarkeit. Ein integrer Mensch handelt in Übereinstimmung mit seinem persönlichen Wertesystems. In unserer Meinungsdebatte ist es daher nicht unwesentlich, zu wissen, auf welcher Ethik das Wertesystem des Journalisten basiert. Wenn wir davon ausgehen, dass sich der Journalist in einem USA – und Nato-affinen Umfeld bewegt, anders ist sein Beitrag nicht zu erklären, sagt das noch nichts über seine Korrumpierbarkeit aus. Es könnte ja beispielsweise sein, dass jemand Angriffskriege im Dienste der Humanität aus innerster Überzeugung verteidigt, und auch für zwei Millionen Bar auf die Hand den Frieden nicht wollte! Ein integrer Misanthrop! Welcher Siebenkäse spricht da aus mir! Nun, die Frage ist leibgeberischer Natur: Welche Ethik verlangt danach, eine Nation im Dienste des Völkerrechts auszuhungern?