Nach dem Vereina

Nach dem Vereina bin ich nur noch Bettina. Nackt. Verschnupft. Ein Schnudergof. Ich wohne in der Schwärze zusammen mit anderen Frauen, die in einem früheren Leben Schwestern gewesen sein mochten, in diesem aber mindestens einmal an der falschen Stelle gelacht haben, regelmässig die Milch verschütten, irrtümlich den falschen Mann küssen, sich gerne irren oder einfach nur Sätze schreiben, die gut klingen, aber erstunken und erlogen sind. Und Kaffee saufen sie Literweise aus Blumentassen.

Wir bündeln das Licht, das uns in der Schlucht nun bereits morgens wieder erreicht. Wir stapeln es sorgsam, und wenn jemand Bedarf anmeldet, reichen wir mit gütigem Lächeln eine Portion. Wer von unserem Licht nascht, sagt, es schmeckt nach Muskat.

Nach dem Vereina nehme ich kein Blatt mehr vor den Mund, im Gegenteil, ich würze bereits morgens meine Haferflocken mit Pfeffer: „Wenn du dein Deutsch hier behalten willst, dann muss es deftig sein, capunsen muss es, den hintersten Pizokel erreichen und erweichen, schmeicheln sollst du ihm – aber halt dir selber stand.“ Nach dem Vereina gleite ich, falle ich, suche ich die Wörter unter dem Eis. Nach dem Vereina lecke ich die Sätze unter der Eisschicht frei, und was ich noch nicht gesagt habe, rinnt meine Nase runter, tränt aus meinen Augen. Im Schleim, den meine Bronchien aushusten, steht es geschrieben: „Hier spricht die alpine Frau. Sie wird die Wörter wieder an ihren rechten Ort rücken. Träume und Sehnsüchte aus dem Felsen hauen, sie auskleiden, einkleiden und wieder ausziehen und vernaschen. Realitätszensuren den Inn runterspülen. Sollen die Österreicher auch was davon haben.“

Endlich geht ein Vorhang auf, lüftet sich der Schleier, trennt sich das Diffuse und Mörtelige vom Kernigen und Braungebrannten und die Worthülsen fallen wie Staub zusammen und entblössen den Halsabschneider.

Und dass die Bettinga nach dem Vereina mit den Rehen und Hirschen spricht, habe ich das schon erwähnt?

Pünktlich zum Chalandamarz und dem Vollmond in der Jungfrau kündige ich mich an. Mein Wort. Meine Krankheit. Meine Genesung. Den Abgründigen, Abtrünnigen und Nackten zu diensten.

Nach dem Vereina trage ich mein Bett bis sich mein Name schlafen legt. Seid gespannt, kommt mit mir mit. Auf den Motta. Ins S-Charl. Unter die Schneedecke. Ins Reich der Wörter, wo der Vereina die grosse Vene ist, die das Blut zum Herzen führt. 7000 Liter täglich, 7000 Wörter stündlich, man muss nur sein Hirn ausklappen wie eine grosse Solarzelle.

Nach dem Vereina bin ich im Herzen.